Taktische Leistung: Wichtig, aber oft zu viel des Guten

Wenn wir auf die gängige Performancesteuerung in Unternehmen blicken, zeigt sich ein eindeutiges Bild. Dort herrscht Rigidität vor. Die Messung von taktischer Leistung steht im Mittelpunkt. Diese Art der Leistung ist der Treiber für Fokus und Beständigkeit. Sie ermöglicht Organisationen, die limitierten Ressourcen auf wenige Ziele zu konzentrieren und damit ihre Position in einem stabilen Umfeld zu stärken.  

Regeln, Checklisten und Standard Operating Procedures sind gefragt. Von der weltweit uniformen Zubereitung eines Starbucks Macchiato bis zur Einhaltung von Qualitätsregeln in der vorklinischen Forschung, es gibt kaum einen Bereich, der ohne taktische Performance auskommt. Am vorgegebenen Plan festzuhalten, das ist das Mantra für die taktische Leistung. Abweichungen sind unerwünscht. Und genau diese - oft eben nur diese - wird in Unternehmen gemessen. 

Adaptive Leistung wird immer wichtiger

Dabei wird außer Acht gelassen, dass es gerade in volatilen, unsicheren Zeiten und bei komplexen Rahmenbedingungen noch eine Leistungsart gibt, die immer erfolgsentscheidender wird: Die eingangs schon erwähnte adaptive Leistung. Sie beschreibt, wie effektiv eine Organisation von ihrer geplanten Vorgehensweise abweichen kann, wenn dies erforderlich ist. Sie zeigt sich in Form von Lernfähigkeit, kreativer Problemlösung, Mut und Innovation. Auf individueller Ebene ist es die Fähigkeit, sein Verhalten aufgrund eines geänderten Arbeitsumfelds rasch anzupassen

Dazu gehören auch schon kleinere Veränderungen. Zum Beispiel kann der Starbucks Barista sich auf unterschiedliche Kundentypen einstellen und die Begrüßung auf den jeweiligen Typ anpassen. Ein Labormitarbeiter unterstützt seine Kollegen ad hoc mit Know-how, das ganz dringend benötigt wird. Bahnbrechende größere adaptive Leistungen sichern oft erst den Fortbestand eines Unternehmens, wenn massive Veränderungen eintreten.  

Zu enge Kontrolle kann schaden

Adaptive Performance ermöglicht auch die sogenannte konstruktive Abweichung​​​​​​​, ein Verhalten, das auf das Wohlergehen des Unternehmens ausgerichtet ist, aber gleichzeitig Normen und Regeln widerspricht oder sie sogar bricht. Das wirkt aus Sicht der taktischen Betrachtung unerwünscht, kann jedoch in einer plötzlich veränderten Situation oft größeren Schaden abwenden oder zu einer wichtigen Innovation führen.

In der Praxis geschieht häufig das: Wenn taktisch zu eng kontrolliert wird, verhalten sich Mitarbeitende strikt regelkonform, auch wenn dies aufgrund einer sich schnell ändernden Situation nicht mehr angebracht ist und zu schlechteren Ergebnissen führt. 

Was die taktische Bewertung von Führungsleistung bewirkt

Auch Führungsleistung wird vorwiegend taktisch bewertet. Wenn von Managern erwartet wird, dass sie jedes Quartal vorhersehbare Erträge erwirtschaften, werden sie die Investition in die adaptive Leistung ihres Unternehmens reduzieren, auch auf Kosten von zukünftiger Wertschöpfung. Das zeigen sehr eindrücklich Untersuchungen zu den wirtschaftlichen Folgen von extensivem Finanz-Reporting im Corporate-Bereich.

Hier kommt noch ein entscheidender Faktor hinzu: Ist die Leistung mit der Vergütung verknüpft, dann sinkt die adaptive Performance noch signifikanter, wenn der taktische Leistungsdruck steigt. Denn dann steht man vor dem Dilemma: kurzfristig erzielbarer Bonus versus mittel- bis langfristiger Erfolg.

Es ist also Zeit, Ihr Performance Management kritisch zu prüfen und neu auszurichten. Das gilt vor allem dann, wenn Sie sich öfter sagen hören: „Ich wünschte, meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen würden mehr Eigenverantwortung übernehmen“, „Ich wünschte, wir würden mehr wie ein Start-up agieren“ oder “Wir sollten beweglicher werden.” Gerade die aktuelle Situation mit dem pandemischen Hintergrund zeigt: Anpassungsfähigkeit und Innovation sind stärker gefragt denn je. Sie sind mittlerweile kein Nice-to-have, sondern oft überlebenswichtig.  

5 Praxistipps: So geht’s konkret zur Spitzenleistung in turbulenten Zeiten

1. Prüfen Sie zuerst die bestehenden Rahmenbedingungen

Konsistenz und Skalierung erfordern taktische Leistungen. Prüfen Sie kritisch mit Ihrem Team, ob Sie dort schon wirklich gute Tools, Checklisten und Workflows im Einsatz haben. Oft lässt sich viel vereinfachen, damit eine Entlastung von Mitarbeitenden erreicht werden kann. Gerade jetzt, wo mehr remote gearbeitet wird, zeigen sich die Lücken und Tücken in der operativen Exzellenz. Moderne Führung und Steuerung sind angesagt. 

Messen Sie also nicht die taktische Leistung unter erschwerten Bedingungen, unter denen Ihre Leute unklare Kommunikations- und Entscheidungswege gehen müssen, komplizierte Genehmigungshürden zu überwinden haben und mehr mit Reporting als dem Arbeiten beschäftigt sind. Befreien Sie alle, auch sich selbst, von unnötigem Ballast! Setzen Sie Zeit und Energien frei für die immer wichtigere Anpassungsleistung. 

Taktisch gerne, aber dann bitte wirklich gut! So lautet hier die Devise. 

 

2. Stellen Sie fest, wo es adaptive Leistung am dringendsten braucht

Das ist oft gar nicht so einfach. Denn eine gewisse Betriebsblindheit verstellt manchmal die kritische Sichtweise. Mit meinen Kunden arbeite ich deshalb oft mit unkonventionellen Ansätzen, die eine distanziertere Außensicht ermöglichen. Sehr schnell wird dann klar, wo der größte Bedarf an Lern- und Innovationsfähigkeit liegt. Gerade jetzt, wenn die Turbulenzen in vielen Branchen stark sind, ist es an der Zeit, schnell herauszufinden, wo und wie sich die adaptive Leistung rasch steigern lässt.  

Es bewährt sich auch, einfach Ihre Mitarbeitenden zu fragen: „Wenn Du was ändern könntest, was wäre es?“ Sie werden erstaunt sein, welche Antworten Sie erhalten, frei Haus und ohne großen Aufwand.

 

3. Machen Sie Experimentieren und Lernen zur Selbstverständlichkeit

Dort, wo es Anpassungsfähigkeit braucht, machen Sie klar, dass Experimentieren ausdrücklich erlaubt und erwünscht ist. Geben Sie Ihrem Team auch das nötige Rüstzeug dafür in die Hand. Experimentieren bedeutet nicht Beliebigkeit, sondern umfasst ein gut strukturiertes Vorgehen mit dem Ziel des schrittweisen Erkenntnisgewinns. Meine Kunden nutzen dafür Vorlagen, die Experimente in der Praxis einfach machen. 

Schaffen Sie darüber hinaus Routinen, wie Feedback- und Peerconsulting Sessions sowie strukturierte Problemlösungsrunden. Dadurch wird Beratungspotenzial innerhalb des Unternehmens frei. Sie werden erstaunt sein, wie viel Innovationskraft und Lösungskompetenz möglich ist. Ich sehe bei meinen Kunden immer wieder, dass Führungsteams dadurch enorm an adaptiver Leistungskraft gewinnen. Ein Effekt, der sich sehr positive auf das gesamte Unternehmen und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirkt. 

 

4. Implementieren Sie Leistungskriterien mit Weitsicht

Gar keine Performancemessung durchzuführen ist nicht der richtige Weg. Information über die eigene Leistung ist wichtig für die Orientierung und Selbstkorrektur von einzelnen und Teams. Wenn Sie jedoch die Metriken als Waffe benutzen, weil diese mit hohen Boni, Beförderungs- oder Entlassungsentscheidungen verbunden sind, wird die adaptive Leistung Ihrer Teams zerfallen. 

Beginnen Sie damit, die Wirksamkeit der Rahmenbedingungen zu messen, die die adaptive Performance beeinflussen. Das umfasst Motivation, die Organisationsstruktur und Planungsprozesse sowie vor allem das bestehende Performance Management System. 

 

5. Setzen Sie auf Lernziele

Wenn Sie zum Beispiel im Salesbereich ambitionierte Stückzahlen als Verkaufsziel geben, dann sind unterschiedliche Wege der Zielerreichung möglich. Bestenfalls nimmt sich der Verkäufer, die Verkäuferin Zeit, zu ergründen, wie eine bessere Performance gelingen kann. Es kann aber auch sein, dass das Ziel zu Abkürzungen führt, wenn der Druck groß ist. Wenig nachhaltiges Hardselling oder gar Täuschungen sind nicht selten die Folgen daraus.

Lernziele können hier sehr hilfreich wirken. Auf das Beispiel bezogen könnte ein Lernziel folgendermaßen lauten: Finde fünf neue Wege, das Produkt oder die Dienstleistung beim zukünftigen Kunden zu platzieren. Wohlgemerkt geht es nicht um fünf erfolgreiche Wege, sondern einfach um fünf neue Wege. Ein gewisses Risiko zu nehmen, zu experimentieren, damit schneller Ergebnisse vorliegen, ist in dynamischen Zeiten, wo nicht alles vorhergesagt werden kann, nachhaltiger als die statische Zielvereinbarung. 

 

Zu guter Letzt

Es ist verlockend, den Fokus nur auf „taktisch“ zu setzen und zu glauben, wenn alle genau dem Prozess folgen, wird sich der Erfolg schon einstellen. Widerstehen Sie dieser einfachen Denkweise! Schauen Sie genauer hin und setzen Sie die richtigen Schritte in eine leistungsstarke Zukunft

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