Bei genauerer Betrachtung von Unternehmen, die erfolgreich ihre Digitalisierungsstrategie umsetzen, zeigt sich klar: Der Erfolg liegt nicht nur im sinnvollen Einsatz neuer Technologien, sondern vor allem in der Veränderung der Vertriebskultur sowie in der Anpassung von Prozessen und der Arbeitsorganisation hin zu stärkerer Agilität. Am meisten sticht dabei die konsequente, ja oft radikale Ausrichtung auf den Kunden hervor.
Agilität im Vertrieb: Eine Bestandsaufnahme
Vertriebsverantwortliche stehen dem Thema Agilität oft sehr skeptisch gegenüber. Folgendes Argument höre ich immer wieder: „Wir im Vertrieb sind doch längst agil!“ Diese Aussage trifft in vielen Punkten für den Vertriebsbereich auch zu.
Hier eine Bestandsaufnahme:
- Im Vertrieb gibt es einen höheren Grad an Selbstorganisation
In der Regel gibt es in Sales und Service flachere Hierarchien. Mitarbeitende können in einem gewissen Rahmen selbstständig agieren und entscheiden.
- Gelebtes Commitment
Jeder gute und erfolgreiche Vertriebler verfügt über ein hohes Engagement und die entsprechende Selbstverpflichtung vor allem gegenüber den eigenen Kunden.
- Kundenorientierung ist eine Selbstverständlichkeit
Für Vertriebsmitarbeitende gilt sie als oberste Prämisse, zeigt sich doch der Effekt ihres Handelns unmittelbar an der Reaktion der Kundinnen und Kunden! Auch gilt es im Vertrieb als Muss, neue Themen direkt am Geschäftspartner zu testen und anzupassen.
- Feedback und Lernen sind in den Alltag integriert
Außendienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter bekommen eine Rückmeldung direkt vom Kunden oder erkennen Reaktionen spätestens beim Bestellverhalten. Somit gehört Feedback zum Arbeitsalltag eines Verkäufers. Salesbereiche und Servicecenter haben oft eigene interne oder externe Vertriebscoaches und -trainer. Laufend Neues zu lernen ist somit fixer Bestandteil der Vertriebspraxis.
- Messbarkeit und Transparenz durch Verkaufszahlen und über Workflows
Kein anderer Unternehmensbereich ist so transparent und messbar wie der Vertrieb. Der Arbeitserfolg lässt sich direkt an den Verkaufszahlen und Servicelevels aufzeigen und überprüfen. Auch die Transparenz über Workflows ist dort schon lange „State of the Art“.
- Anpassung und Flexibilität: Das „tägliche Brot“ im Vertrieb
Vertriebler sind es gewohnt, sich anzupassen und flexibel zu reagieren. Die Ausrichtung auf den jeweiligen Kundentypus gilt praktisch als Erfolgsgeheimnis im Vertrieb und macht den Beruf erst so richtig spannend. Darüber hinaus erfordern ständig neue Produkte oder Services viel Adaption und eine hohe Auffassungsgabe.
Warum die Zeichen für Agilität im Vertrieb auf Änderung stehen
Bei all der Flexibilität ist derzeit jedoch eine Art Überhitzung im Vertrieb festzustellen. „Immer mehr, immer weniger Zeit, schwindende Freiräume.“ Das sind nur einige der Klagen, die ich derzeit aus vielen Vertriebsbereichen wahrnehme. Da liegt die Vermutung nahe, dass die aktuellen Lösungs- mechanismen im Vertrieb mit der steigenden Dynamik und Komplexität im Umfeld nicht mehr mithalten können. Dieser Umstand gilt nicht erst seit der Corona-Pandemie. Zeichnet sich da etwa sogar das Ende des B2B-Vertriebs,
wie wir ihn kennen, ab?
Die Zukunft des Vertriebs ist noch agiler!
Was braucht es, damit Vertriebsorganisationen auch in Zukunft flexibel, anpassungs- und damit handlungsfähig bleiben? Hier habe ich meine Sicht dazu für Sie zusammengetragen. Diese ist im intensiven Austausch mit meinen Kunden entstanden. Gleich vorweg: Die Zukunft des Vertriebs verträgt noch viel mehr Agilität und das im besten Sinne.
1. Definieren Sie eine Vertriebsvision für den künftigen Erfolg
Gut beschäftigte und mehr als ausgelastete Vertriebler fragen sich als Erstes: „Warum soll ich überhaupt etwas verändern?“ Hier gilt es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass steigende Dynamik und Komplexität in vielen Bereichen in Zukunft ein anderes Vorgehen erfordern. Eine Anpassung, oft als Transformation bezeichnet, ist daher unumgänglich.
Damit die Transformation im Vertrieb nicht ins Nirwana führt, braucht es ein attraktives Zukunftsbild, also eine Vertriebsvision. Wie stellen wir uns den idealen Vertrieb der Zukunft vor? Was ist anders? Was sagen unsere Kundinnen und Kunden? Wie arbeiten wir künftig zusammen? Hier darf durchaus idealisiert werden. Die Vision hat die Funktion eines Fixsterns zur Orientierung. So, als würden wir einen Kompass setzen.
Rechtzeitige Anpassungen im Vertrieb einzuleiten und Schritt für Schritt den Weg in die Zukunft einzuschlagen, verhindern eine überhastete Veränderung, wenn es vielleicht schon zu spät ist. Dabei gilt, die Balance zu finden zwischen der Dringlichkeit im aktuellen Geschäft (Exploitation) und der Sicherung des zukünftigen Erfolgs (Exploration). Diese Beidhändigkeit ist das Paradigma für einen innovativen Vertrieb.
2. Kundenreise und Kontaktpunkte: Zentrale Elemente für Ihren Vertriebserfolg
Lange vor dem ersten Vertriebskontakt beginnt die Kundenreise. Wissen Sie, was Ihre potenziellen Käufer überhaupt dazu bewegt, sich auf die Suche nach bestimmten Produkten und Dienstleistungen zu machen? Kennen Sie deren Probleme und Bedürfnisse? Wissen Sie, wo und wie Ihre zukünftigen Nutzer recherchieren und sich informieren?
Sollten Sie es noch nicht getan haben, meine Empfehlung: Zeichnen Sie die Customer Journey Ihrer (potenziellen) Kunden nach, mit allen Kontaktpunkten, die sich für die Käufer daraus ergeben. Beginnen Sie am besten bereits mit der Analyse, wer überhaupt potenzieller Nutzer oder Nutzerin Ihres Angebots sein kann. Hilfreiche praktische Ansätze wie Customer Journey Mapping, Personas, Empathy Map oder die Jobs-to-be-Done-Methode stehen hier zur Verfügung.
Einige Aha-Erlebnisse bekommen Sie dabei frei Haus geliefert. Diese sind wertvolle Erkenntnisse, mit denen Sie Kunden gewinnen oder verlieren können. Diese sogenannte „Moments-of-Truth“ zu kennen, hilft Ihnen, ganze konkrete Maßnahmen für den Vertrieb und darüber hinaus abzuleiten.
3. Cross-Funktionalität muss Silodenken ersetzen
Die Customer Journey zeigt es meist sehr deutlich: Ein Kunde interessiert sich überhaupt nicht für interne Abläufe und Strukturen seiner Lieferanten. Alles, was zählt, ist ein tolles Kundenerlebnis von Beginn an über alle Kontaktpunkte. Der Vertrieb kann also nicht losgelöst von anderen Unternehmensbereichen betrachtet werden. Jede Schnittstelle ist auch potenzielle Bruchstelle. Und wenn Kunden dies bemerken, hat man als Lieferant schon verloren!
Das beginnt bei der internen Vertriebsstruktur. Innen- und Außendienst sind oft wie Tag und Nacht. Was früher als sportliche Rivalität galt, ist heute ein entscheidender Wettbewerbsnachteil. Erst recht, wenn die Kundenreise spürbare Risse beim Überschreiten von Abteilungen aufweist. Das Kundenerlebnis stoppt auch nicht nach dem Verkauf, sondern setzt sich gerade dann fort. Operations, Logistik, Aftersales und was immer noch folgt, auch hier zählt ein Mit- und nicht ein Gegeneinander! In die andere Richtung bedeutet das eine enge Abstimmung mit Produktentwicklung und Marketing.
Meine Empfehlung: Setzen Sie auf cross-funktionale und bereichsübergreifende Teams, die gemeinsam für die Kundenreise verantwortlich zeichnen. Die Leitfragen dabei: Was erwartet und braucht der Kunde? Wie gestalten wir unsere Abläufe und Prozesse, um diese Erwartungen bestmöglich zu erfüllen? Wie können wir auf kurzfristige Veränderungen rasch reagieren?
4. Über Mitarbeiter- und Teamentwicklung selbstorganisiertes Arbeiten fördern
Die Fragen aus dem letzten Abschnitt zeigen schon: Wenn die Grenzen zwischen Abteilungen aufbrechen, braucht es dafür auch die entsprechenden Rahmenbedingungen. Insbesondere betrifft das die Führungskräfte. Sie sollten so viel wie möglich an operativer Verantwortung in die (neu formatierten) Teams übertragen und dann vor allem die verbleibenden Abhängigkeiten managen, die auf Teamebene nicht mehr lösbar sind.
Das bedingt eine andere Art des Führens. Kein einfaches Unterfangen. Sehen sich doch die Vertriebsverantwortlichen oft noch als die einsamen Kapitäne auf der Brücke. Bei ihnen laufen alle Informationen zusammen und sie greifen massiv ins operative Geschehen ein, gerade wenn es turbulent wird.
Jetzt sollen sie nicht mehr an vorderster Front stehen, sondern Ihre Mitarbeitenden dazu befähigen, vieles selbst zu entscheiden und das am besten abgestimmt im Team. Mitarbeiter- und Teamentwicklung wird somit zur Kernkompetenz von modernen Vertriebsführungskräften. Anwender-Know-how zu selbstorganisierten Arbeitsformen ist ein weiteres wichtiges Asset.
5. Informationen radikal-transparent für alle Mitarbeitenden verfügbar machen
Viele Informationen, die bisher bei den Führungskräften gebündelt waren, sind mittlerweile hoch relevant für alle Mitarbeitenden im Vertrieb, gerade wenn sie selbstorganisierter zusammenarbeiten. Meist sind die Daten vorhanden, jedoch eben lokal gelagert oder gar nur einzelnen Personen zugänglich. Vieles läuft nicht auf Knopfdruck, sondern muss erst mühsam zusammengestellt werden.
Das Augenmerk liegt daher stark auf Transparenz und leichter Verfügbarkeit von Informationen. Hier zahlt sich ein Blick auf agil-digitale Lösungen aus. Manchmal ist es ein einfaches Kanbansystem oder ein übersichtlich dargestelltes und gut gemanagtes Projektportfolio, das schnell Klarheit bringt und als Entscheidungsgrundlage genutzt wird. Manchmal braucht es auch die geschickte Vernetzung von mehreren Datenquellen bis hin zu Big-Data-Lösungen.
Doch auch hier gilt: Technologie und Methode sind das eine, deren Anwendung das andere. Nur wer die Logiken und Philosophien dahinter kennt und auch die Fähigkeit besitzt, diese richtig zu nutzen, kann davon profitieren. Die passenden Fragen zu stellen ist dabei die größte Kunst. Das führt uns wieder zum Punkt Mitarbeiter- und Teamentwicklung.
6. Setzen Sie auf sofortiges Feedback und engmaschige Retrospektiven
Je höher die Veränderungsgeschwindigkeit im Vertrieb ist, desto kürzer sollten Feedback- und Anpassungsschleifen sein. Einmal im Jahr durchgeführte Kundenzufriedenheitsanalysen mit entsprechend großem Aufwand und Dauer für die Ergebnisauswertung liefern in einem dynamischen Umfeld meist veraltete Daten.
Setzen Sie daher verstärkt auf schnelle Feedbackmechanismen, beim Geschäftspartner am besten nach jeder Interaktion. Nutzen Sie in Ihren Teams die prinzipielle Lernbereitschaft. So liefern agile Retrospektiven im Ein- oder Zweiwochenrhythmus wertvolle Einblicke und ermöglichen ein schnelles Anpassen der Vertriebsprozesse und -praktiken.
Achtung: Verkaufspersönlichkeiten, die bisher eher als Einzelkämpfer tätig waren, tun sich manchmal etwas schwer, offen über ihre Erfahrungen und Learnings zu sprechen. Es braucht also Zeit, Geduld und ein langsames Heranführen an neue Arbeitsweisen und verändertes Verhalten.
7. Zielsysteme und Leistungssteuerung überprüfen
Sperrige Jahresbudgets und starre Zielsysteme erschweren ein flexibles Reagieren auf Veränderungen. Als Vertriebsführungskraft ist es sinnvoll, sich mit neueren Ansätzen in diesem Bereich auseinanderzusetzen. Nur mit einem effektiven und möglichst flexiblen Alignment von strategischer Ausrichtung und operativen Tätigkeiten lässt sich Schubkraft im Vertrieb auch im dynamischen Umfeld entwickeln.
Die Frage lautet hier: Tun wir wirklich das, was uns hilft, unsere Strategie umzusetzen und vor allem Kundenwert zu schaffen? Oft fehlt der Fokus durch mangelnde Prioritäten. Wenn alles gleich wichtig ist, hat nichts Priorität. Die Bemühungen zeigen dann wenig Wirksamkeit. Als hilfreich erweisen sich hier Ansätze wie zum Beispiel die sogenannten Objectives and Key-Results, ein agiles Zielmanagement-System mit kürzeren Planungs- und Feedbackzyklen.
Im Vertrieb, wo die individuelle Leistungsbeurteilung auf Jahresbasis verbunden mit einem hohen Provisionsanteil als Sakrileg gilt, stoßen neue Ansätze der Ziel- und Leistungssteuerung zunächst einmal auf großen Widerstand. Wichtig ist es daher, genau hinzuschauen, wo Veränderung überhaupt sinnvoll ist und was damit erreicht werden soll. Meine Erfahrung zeigt, dass sich Alt und Neu oft auf besondere Weise verbinden lassen. Ist der Vorteil einmal erkannt, sind es die anpassungsfähigen Vertriebler, die das dann besonders gerne annehmen.
8. People over Processes: Es muss menschlich bleiben!
Bei aller Digitalisierung ist es oft der menschliche Faktor, der für Kunden den Unterschied macht. Wer von uns kennt sie nicht, die verzweifelte Suche nach dem Verkäufer im Shop oder nach der Serviceline-Nummer im Onlinebuchungsportal? Egal wie gut Ihre digitalisierten Prozesse sind, schaffen Sie eine Möglichkeit des persönlichen Kontakts! Oft zeigt sich, dass allein diese Option die Kundenzufriedenheit steigert. Das agile Prinzip „People over Processes“ gilt auch im Vertrieb.
Es stellt sich die Frage, wie viel Zeit Ihre Vertriebsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen für den persönlichen Kundenkontakt haben. Wie stark sind sie beansprucht, manuell etwas nachzubearbeiten, Informationen mehrmals in verschiedene Systeme einzugeben und Workarounds für unklar definierte Verantwortlichkeiten zu finden? Prüfen Sie, was alles weiter automatisierbar ist und sogar weggelassen werden kann, weil es keinen Wert generiert!
Hier nochmals der Hinweis auf starke Transparenz und laufendes Feedback. Was macht noch Sinn, was nicht mehr? Wo können wir noch besser werden? Was hat wirklich Priorität? Wie setzen wir unsere beschränkten Ressourcen am zielführendsten ein? Scheuen Sie sich nicht, hier genau hinzusehen und geben Sie sich nicht mit Kompromissen zufrieden. Insbesondere dann, wenn es um die digitale Unterstützung im Vertrieb geht! Die passenden Werkzeuge und Abläufe ermöglichen es Ihren Mitarbeitenden, einen guten Job zu machen. Und glückliche Vertriebler schaffen glückliche Kundinnen und Kunden!
9. Mit Geduld und Mut zur Innovation
Viele gute Gründe sprechen für die Agilitätssteigerung im Vertrieb! Packen Sie es an, treffen Sie die Entscheidung, neue Wege zu gehen, transportieren Sie die Dringlichkeit und Sinnhaftigkeit und geben Sie Ihren Teams den entsprechenden Schutzraum für vertriebliche Experimente.
Seien Sie aber gewarnt: Es wird nicht gleich alles fruchten und funktionieren. Kulturelle Transformation ist ein fortlaufender Prozess, der kein Ende hat. Unter den passenden Rahmenbedingungen wird daraus im besten Fall eine vertriebliche Selbstverständlichkeit, Mut und Innovationskraft inklusive.
10. Ab in die Praxis: Leitfragen für alle, die gleich loslegen wollen
Wenn Sie gleich starten wollen, hier einige Leitfragen, die ich mit meinen Kundinnen und Kunden gemeinsam bearbeite:
- Wie stellen wir uns den idealen Vertrieb der Zukunft vor? Was ist anders?
- Wo in Vertrieb und Service sind das Einführen und das intensive Nutzen agiler Arbeitsweisen möglich und sinnvoll?
- Worin zeigt sich die gewünschte Agilität in der Praxis und auf welche Handlungs-/Aktionsfelder bezieht sie sich?
- Wo hilft uns Agilität, mit begrenzten Ressourcen den größten
(Kunden-)Wert zu generieren?
- Welche Veränderungen auf der Kultur- und Strukturebene sowie auf der Einstellungs- und Verhaltensebene sind nötig, um die angestrebte höhere Agilität zu erreichen?
- Welche neuen Kompetenzen brauchen wir dafür?
- Auf welche in der Vergangenheit ergriffenen Initiativen können wir aufbauen, um das angestrebte Ziel zu erreichen?
Sie wünschen sich Unterstützung, um eine konkrete Problemstellung im Zusammenhang mit mehr Agilität im Vertrieb zu lösen?
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Apropos Digitalisierung und Agilität:
Je nach Präferenz und Anforderungen arbeite ich mit meinen Kundinnen und Kunden aktuell komplett im virtuellen Raum oder kombiniere sicheren Präsenz- und Remotekontakt. Die Lösungen werden auf Ihre IT-Umgebung zugeschnitten. Für Ihre Flexibilität können die Formate auch bei laufenden Projekten kurzfristig angepasst werden, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern.