Stabilität und Vorhersagbarkeit gehören also der Vergangenheit an. Viele Geschäftsmodelle sind praktisch über Nacht in Schieflage geraten und Supply Chains unterbrochen. Es beginnt die fieberhafte Suche nach neuen Ansätzen und Möglichkeiten, strategisch wie operativ. Das Spiel für Führungskräfte hat sich dadurch komplett verändert. Bisherige Erfolgsrezepte im Management und Leadership greifen jetzt nicht mehr oder werden sogar zur Belastung. Wie Sie auch in dieser Situation handlungsfähig und erfolgreich bleiben, erfahren Sie in diesem Artikel. 

Ankerpunkt 1: Werfen Sie Ihren Perfektionismus über Bord

If you need to be right before you move, you will lose. Speed trumps perfection.” Diese Aussage von Dr. Michael Ryan, Executive Director der WHO und Verantwortlicher für gesundheitliche Notfallsprogramme, gilt aktuell auch für das Krisenmanagement von Führungskräften.

Perfektion als Hemmschwelle zu erkennen und situationsbedingt, experimentell vorzugehen, bezeichnen wir als mentale Agilität. Etwas bodenständiger ausgedrückt bedeutet das nichts anderes als ständige Lern- und Anpassungsfähigkeit.

Eine Studie von Korn Ferry hat 2018 die mentale Agilität bei deutschen Managern erhoben und branchenbedingte Unterschiede festgestellt. Es ist wahrscheinlich, dass diejenigen unter uns, die schon vorher aufgrund eines dynamischen Umfelds gefordert waren, derzeit einen gewissen Trainingsvorsprung haben. Für alle anderen gilt: Jetzt bitte gleich die mentale Agilität üben!

Sehr hilfreich ist in dem Zusammenhang eine Reflektion der Situation in Bezug auf Kausalität. Ist der Ursache-Wirkungszusammenhang erkennbar oder lässt sich dieser nicht sofort herstellen? Ein Orientierungsrahmen wie zum Beispiel das Cynefin Framework hilft Ihnen dabei, für die jeweilige Situation den passenden Lösungsansatz zu finden. Perfektionsstreben hat unter gewissen Umständen Berechtigung, jedoch nicht bei sehr komplexen bis teilweise chaotischen Rahmenbedingungen, wie wir sie derzeit erleben.

Ihren Perfektionismus bekommen Sie ganz praktisch mit der Frage „Ist es gut genug, es zu probieren?“ in den Griff. Denn “Perfektion ist der Feind des Guten im Krisenmanagement”, um es nochmals mit den Worten von Dr. Ryan zu formulieren.

Ankerpunkt 2: Bauen Sie Zoomingkompetenz auf

In dieser unsicheren Zeit hilft Ihnen als Führungskraft etwas, das ich Zoomingkompetenz nenne. Das bedeutet, sich rasch rauszoomen können, um das große Ganze zu erkennen, und sich dann rasch wieder reinzoomen mit Fokus auf die notwendigen kurzfristigen Maßnahmen

Soweit, so gut. Wenn da nicht diese enorme Ablenkung wäre! Gerade jetzt werden Sie wahrscheinlich überflutet mit Informationen. Mehr E-Mails, mehr (Online-)Meetings, noch mehr Neuigkeiten und Schlagzeilen. Das erhöht die Gefahr der Zerstreuung. Sie springen sozusagen von einer Sache zur anderen. Fälschlicherweise wird das oft als Agilität bezeichnet. Doch genau das Gegenteil ist der Fall, wenn Sie dabei weder strategischen Fokus noch Aufmerksamkeit und schon gar keine sinnvolle Priorisierung haben. In starker Ausprägungsform sprechen wir hier von Distractibility.

Betrachten Sie daher ganz bewusst zuerst das Gesamtbild mit einem zukunftsgerichteten Fernblick. Mit dieser geschärften Wahrnehmung können Sie die Signale im Umgebungslärm erkennen, also Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Diese Signale liefern uns wertvolle Anhaltspunkte für nächste Schritte. 

Sind nun Maßnahmen herausgefiltert und priorisiert, braucht es für die entschlossene Umsetzung Fokus, also die ungeteilte Aufmerksamkeit auf die aktuelle Aufgabe mit Nahblick. Mit voller Konzentration lassen sich die notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten freimachen und die Ausführung kann diszipliniert erfolgen.

Damit das Zoomen für Sie funktioniert, teilen Sie Ihre Führungsarbeit in klar definierte Zeitboxen ein. Innerhalb einer Zeitbox, auch Sprint genannt, lassen Sie sich nicht ablenken. Das gilt auch, wenn Sie im Team arbeiten. Ganz praktisch auf die Tagesarbeit bezogen, heißt das, kleine Pausen einlegen zwischen den Zoomingschritten und Störungen konsequent eliminieren. Unterstützend wirken hier kurze Achtsamkeitspraktiken, die mittlerweile klar als leistungsfördernd anerkannt sind.

Ankerpunkt 3: Führen Sie ohne Stolz und Vorteil

In turbulenten Zeiten wie diesen, wo Bestehendes über den Haufen geworfen wird, zählen plötzlich vergangene Erfolge nicht mehr. Die Karten sind neu gemischt und es gelten ganz andere Spielregeln. Leider ist es so, dass unser Selbstwert stark von vergangenen Erfolgen abhängt. Wenn Sie nun als wohldekorierte Führungskraft nicht mehr auf die bewährten Praktiken zurückgreifen können und Ihre bisherigen Errungenschaften nicht mehr ausschlaggebend sind, so verletzt das doch sehr den eigenen Stolz. Eine reflexartige Reaktion darauf ist häufig, die eingeübten Praktiken erst recht beizubehalten. Ein gefährlicher Weg in Zeiten wie diesen, für Ihr Unternehmen und vor allem für Sie. Die Botschaft lautet: Ego killt Agilität.

Verabschieden Sie sich daher bewusst von Ihrem Ego! Stellen Sie es symbolisch vor die Tür. Das kling eigenartig, wirkt aber gut bei der Umprogrammierung auf den neuen Führungsmodus ohne Stolz. Um auch von vergangenheitsgeprägten Vorurteilen loszukommen, stellen Sie sich die Frage: Wie können wir jetzt unsere Kunden unterstützen? Denken Sie dabei nicht an Ihren persönlichen Ruhm und Einfluss, sondern an den Unternehmenserfolg und vor allem an den Erfolg Ihrer Kunden

Sie werden sehen, die Anerkennung kommt im Nachhinein und wahrscheinlich auf Umwegen. Was Sie nicht aufgeben müssen, ist ihr Selbstvertrauen. Viele Ihrer Stärken unterstützen Sie gerade jetzt in anderer Form. Fragen Sie in Ihrem Umfeld und auch sich selbst, welche Stärken Ihnen attestiert werden. Mit diesem Bewusstsein und dem Vertrauen in Ihr Team können Sie kalkulierte Risiken eingehen und den Veränderungsschub für Innovationen nutzen. Der beste Weg für das Führen aus der Krise!

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