Ein Blick zurück

Das geozentrische Weltbild stellte die Erde in den Mittelpunkt. Sie wurde als Scheibe dargestellt und nahm eine zentrale Stellung ein im Zusammenspiel der Planeten.

Kopernikus hatte diese Anschauung als erster widerlegt und das heliozentrische Weltbild geschaffen: Die Erde dreht sich um die Sonne. Galileo Galilei bestätigte seine Erkenntnisse empirisch. Doch der Widerstand der vorherrschenden geozentrischen Lehrmeinung war groß und so musste Galilei im Jahre 1633 seiner Lehre von der Erdbewegung abschwören. Einer später erfundenen Sage nach soll er nach dem Widerruf den Ausspruch getan haben: „Und sie bewegt sich doch!“

Und heute?

Heute erscheint uns die Erde als Scheibe absurd und jedes Kind weiß, dass sie sich bewegt. Warum fällt es uns dann so schwer, einen neuen Blick auf Unternehmen zu werfen? Hier wird oft im übertragenen Sinne an einem geozentrischen Bild festgehalten. Die bisherige Lehrmeinung und Praxis gelten und Neues hat nur ganz wenig bis gar keinen Platz. Andere Ansichten werden abgetan, ja manchmal sogar richtiggehend bekämpft. Gerade bei langjährig erfolgreichen Unternehmen beobachte ich dieses Phänomen oft in starker Ausprägung.

Ein “geozentrisches” Unternehmensbild

Ein geozentrisches Bild in Unternehmen bedeutet vor allem ein nach Innen gerichteter Blick. Hier habe ich für Sie 10 Ausprägungen dieser Perspektive angeführt. Nutzen Sie diese zur Selbsteinschätzung. Je öfter Sie mit “trifft zu” antworten, desto wahrscheinlicher ist eine geozentrische Sichtweise in Ihrer Organisation vorherrschend.

  1. Im Mittelpunkt steht das (Top-)Management. Handlungen und Entscheidungen richten sich vor allem daran aus, diese zufrieden zu stellen.
     
  2. Viele Mitarbeiter sind schon lange im Unternehmen und haben wenig Erfahrung in anderen Organisationen gemacht.
     
  3. Es sind vorwiegend Branchenexperten tätig und Rekrutierungen aus anderen Industrien eher selten.
     
  4. Die Sichtweise von neuen Mitarbeitenden spielt kaum eine Rolle. Sobald sie im Unternehmen sind, müssen sie sich anpassen. Alles in allem wird mehr darüber gesprochen, was im Unternehmen passiert und weniger über die Geschehnisse außerhalb.
     
  5. Aussagen wie „das haben wir immer schon so gemacht“ sind im Unternehmen oft zu hören.
     
  6. Neue Produkte und Dienstleistungen werden intern und nicht in Co-Kreation mit (potenziellen) Kunden entwickelt.
     
  7. Neue Anbieter am Markt mit einem (digitalen) Nischenangebot werden als unwichtig abgetan und Entwicklungen in anderen Branchen kaum auf das eigene Business bezogen.
     
  8. Es gilt der prinzipielle Glaube, dass alles planbar und damit beherrschbar ist. Alternative Vorgehensweisen bei der Problemlösung wie z.B. agile Ansätze werden eher skeptisch betrachtet.
     
  9. Es ist nicht möglich, offen die wahrgenommene Kultur zu besprechen. Hinterfragen gilt als illoyal.

Neugier und Entdeckungsdrang

Ein nach innen gerichteter Blick und das Bauen auf bisherigen Erfolgen muss aufs erste nicht unbedingt abwegig sein. Viele Jahre konnten Unternehmen dadurch erfolgreich wachsen. Mehr vom Gleichen und das immer besser war die Devise in einem relativ stabilen Umfeld bei geringer Marktdynamik.

Doch reicht dieser Ansatz auch in Zukunft? Braucht es heute bei hoher Dynamik nicht viel mehr eine große Portion Entdeckungsdrang in Unternehmen, um andere Sichtweisen zu gewinnen und Neues zu finden?

 

5 Tipps für den Perspektivenwechsel

Damit andere Perspektiven als Grundlage für wichtige Erkenntnisse in Ihrem Unternehmen wachsen können, habe ich für Sie 5 Tipps zusammengestellt.

  1. Teleskope nutzen
    Galileo Galilei hatte zuerst das Teleskop weiterentwickelt, um damit seine Beobachtungen durchführen zu können und daraus seine bahnbrechenden Erkenntnisse abzuleiten. Nutzen Sie Ihre „Teleskope“ für neue Perspektiven! Das können Ihre eigenen Mitarbeiter sein, Ihre Kunden, Kollegen aus anderen Branchen, eine Learning Journey oder ein Sparring Partner, der Ihnen hilft, Bestehendes zu hinterfragen..
     
  2. Beobachten ohne Bewertung
    Wenn Sie durch Ihre „Teleskope“ blicken, könnte es sein, dass die ungewohnten Bilder Sie zuerst einmal irritieren. Widerstehen Sie dabei dem Bedürfnis, diese gleich zu beurteilen oder gar in die Verteidigung zu gehen! Denn damit zementieren Sie nur ihre bestehenden Perspektiven ein. Bleiben Sie offen. Für Einschätzungen und Handlungsableitungen ist es zu diesem Zeitpunkt noch zu früh. Mit den Worten Galileis gesprochen heißt das: „Die Neugier steht immer an erster Stelle des Problems, das gelöst werden will."
     
  3. "Don’t shoot the Messenger"
    Um wieder die Geschichte zu bemühen: Überbringer von schlechten Nachrichten mussten in der Antike um ihr Leben fürchten oder wurden zumindest geächtet. Auf heute übertragen bedeutet das: Stellen Sie sicher, dass niemand, der an Ihrem Bild rüttelt, dafür sanktioniert wird. Denn dadurch umgeben Sie sich nur mit Ja-Sagern, die Ihnen nach dem Mund reden. Hören Sie vor allem Kritikern zu. Oft stecken in deren Aussagen wichtige Botschaften. Schon Galilei sagte: „Zweifel ist der Vater der Erfindung.“​​​​​​
     
  4. Zeit für Reflexion
    Im turbulenten Tagesgeschäft bleibt kaum Gelegenheit für den Blick in die Ferne. Gehetzt von Termin zu Termin einen strategischen Weitblick zu entwickeln ist unmöglich. Überlegen Sie, wie Sie Raum schaffen für einen Perspektivenwechsel. Neue Eindrücke brauchen Zeit zur Verarbeitung. Reflexion ist dabei nicht Zeitverschwendung, sondern Kernaufgabe im Management. Auch hier ist die Anlehnung an Galilei hilfreich: „Man kann einen Menschen nichts lehren. Man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“
     
  5. Let’s do it!
    Sie möchten nicht nur den Blick, sondern auch das Handeln in Ihrem Unternehmen nach außen richten? Dann braucht es eine attraktive Vision. Wo soll die Reise hingehen? Was erwartet uns dort? Und warum machen wir das überhaupt? Mit Antworten auf diese Fragen gewinnen Sie viele Entdecker, die sich mit Ihnen auf den Weg machen. Doch seien Sie gewarnt: Der große, bis ins Detail durchdachte Plan vorab soll es nicht sein (siehe Punkt 9 bei den Ausprägungen). Besser Sie beginnen mit kleinen Schritten, die ein flexibles Navigieren ermöglichen. Wenn in Ihrer Organisation kein leises „Und sie bewegt sich doch“ gemurmelt wird beim Widerrufen von anderen Ansichten, sondern ein lautes „Wir bewegen uns!“ beim Austausch von verschiedenen Perspektiven zu hören ist, dann haben Sie es geschafft. Ihr Unternehmen ist bereit für die Expedition in die Zukunft.

Drei meiner Angebote für den Perspektivenwechsel:

Persönlichen Rüttelstrecke

Executive Special

Journeys

Eva Ayberk