Die Schwächen des heutigen Change Managements

Starre Strukturen

Die heutigen Unternehmen sind für Stabilität und Effizienz gebaut, umgesetzt durch Hierarchie und Routine. Wenn sich nun das Umfeld immer schneller ändert, können diese Veränderungen innerhalb der Organisation nicht in der gleichen Geschwindigkeit abgebildet werden.

Veränderung als Störung

Die meisten Organisationen betrachten Veränderung als Unterbrechung des Status quo. Diese Störung des Normalbetriebs muss von der Unternehmensspitze freigegeben, genau geplant, pilotiert und zentral ausgerollt werden. Damit sind Change Programme meist zu spät und eher krampfhaft angesetzt.

 

Monopolistischer Ansatz

Es gilt: Nur das Top-Management hat die Um- und Weitsicht, Veränderung zu initiieren. Meist isolieren jedoch mehrere Führungsebenen die Verantwortlichen an der Unternehmensspitze. Der Veränderungsbedarf kommt dort ganz zuletzt an. Noch dazu, wo die Manager dazwischen nur sehr zögerlich Alarm schlagen. Das verspätete Change Programm gleicht dann einer Aufholjagd.

Risikoavers gemanagt

Risikoaverse Manager stimmen nur selten einem Change Programm zu, das sich außerhalb der Best Practice bewegt. Es wird kopiert, was woanders (vermeintlich) funktioniert hat. Eine deterministisch gesteuerte Initiative wirkt aber nicht bei tiefgreifenden Veränderungen in komplexen Systemen.

Zentraler Rollout

Von oben verordnete, eng vorgegebene Changemanagement Programme nutzen nicht die verfügbare Kreativität und Energie der Mitarbeiter. Dadurch entsteht oft Widerstand und Zynismus in der Organisation. Der Trugschluss im Management: Menschen wollen sich nicht verändern. Das Change Programm artet dann eher zu einem propagandistischen Kampfprogramm aus mit dem Ziel, die Betroffenen zu überzeugen.

Der Plattformansatz

Die derzeitigen Ansätze für Veränderung in Unternehmen passen also nicht mehr. Lassen Sie uns deshalb Change Management neu denken. Dazu nehmen wir bei Plattformlösungen Anleihe.

Kaum ein digitales Geschäftsmodell scheint im Moment attraktiver zu sein als das Plattform Business. Wir sind alle erstaunt, wie Uber, Airbnb und Co ganze Branchen revolutionieren. Viele begründen dies mit der hervorragenden Technologie, die dort eingesetzt wird. Klar, die braucht man, damit das Ganze gut funktioniert. Das Faszinierende dabei ist jedoch die Einfachheit der Idee dahinter.

Eine Plattform kreiert Wert, in dem es den Austausch von zwei oder mehreren (voneinander abhängigen) Gruppen ermöglicht und vereinfacht. Die Teilnahme ist freiwillig. Je mehr Teilnehmer dazukommen, desto attraktiver wird eine Plattform. Ab einer gewissen Größe kann man sich als Teil der relevanten Gruppe kaum mehr erlauben, nicht dabei zu sein. Es entsteht eine Sogwirkung. Denken Sie nur an die fast magische Anziehungskraft von Social Media Plattformen.

Vom Change Management zur Change Plattform

Diese Systematik lässt sich auch für Veränderungen im Unternehmen nutzen. Hier finden Sie Anregungen, wie sich Change als „Plattform Business“ gestalten lässt:

 

Verteilt statt zugeteilt

Die Möglichkeit, Change zu initiieren, wird über das ganze Unternehmen verteilt. Eine Change Initiative kann von einer kleinen Anzahl an Mitarbeitern ausgehen. Weitere Teilnehmer können hinzukommen, wenn Sie die Notwendigkeit für diese Veränderung ebenfalls sehen. Eine Art Interessensgemeinschaft entsteht. Als Austauschmedium lassen sich bestehende Plattformen nutzen (z.B. Intranet, Social Media Kanal, Face-to-Face Events), oft auch in Kombination miteinander.

Wird die Notwendigkeit für Veränderung von einer kritischen Masse aufgegriffen, also eine Art Interessensgemeinschaft gebildet, ist das ein klares Signal an die Unternehmensspitze. Voraussetzung dafür: Das Top Management selbst ist bereit, die Plattformen zu nutzen.

Die Initiative Working Out Loud ist ein Beispiel dafür, wie das sogar über Unternehmensgrenzen hinweg funktionieren kann. In vielen namhaften deutschen Konzernen hat diese ursprüngliche Grassroot-Bewegung mittlerweile hohe Sichtbarkeit und auch Einfluss.

 

Einladung statt Verkauf

Tiefgreifende Veränderung braucht das echte Committment der Betroffenen. Mit dem Angebot an alle im Unternehmen, das Wie des Change Programms mitzugestalten, lässt sich dies am besten erreichen. Das kann z.B. in Form von „Hacks“ erfolgen, in denen bestehende Praktiken und Prozesse von allen in der Organisation disruptiert werden können.

Der Outcome ist oft unglaublich, gerade wenn es um kundennahe Prozesse geht. Diejenigen, die Tag für Tag ganz nah dran sind am Markt, bringen ganz andere und vor allem breitere Lösungen ein als eine eng gefasste Taskforce von Senior Managern.

Der Plattformgedanke kann noch weiter ausgerollt werden: Die Kunden oder gar die Nicht-Kunden sind gleich mit dabei, z.B. mit co-kreativen Ansätzen wie Design Thinking. Nicht jede Idee wird dabei umgesetzt. Es entsteht jedoch ein ganzes Portfolio an Lösungsoptionen. Gerade bei komplexen Problemen erweitert sich dadurch der Handlungsspielraum.

Organisch statt gemanagt

Wie oben beschrieben, strebt das traditionelle Change Management danach, vom stabilen Ist-Zustand A in den stabilen Soll-Zustand B zu gelangen. Kurt Lewin nannte die drei Phasen Auftauen-Bewegen-Einfrieren. Die Welt von heute verlangt jedoch nach ständiger Bewegung. Somit braucht es andere „Betriebssysteme“ für Veränderung. Klug eingesetzt, erweisen sich agile Ansätze mit ständigem Ausprobieren, Lernen und Iterieren hier als wirksam.

Dadurch verlagert sich der Schwerpunkt von zentralen und oft mächtigen Change Projektmanagement Offices hin zu selbstorganisierten Communities. Diese identifizieren Veränderungsbedarf, experimentieren mit Initiativen und skalieren diese gegebenenfalls. Eine veränderte Rolle des Managements ist dafür Voraussetzung: Es betreibt Change Management nicht mehr selbst, sondern schafft die Plattform, damit tiefgreifende, proaktive Veränderung stattfinden kann - immer und überall.

Wichtig ist dabei die Frage: In welche Richtung bewegt sich die Organisation? Organisches Wachstum kann auch schnell zu Wildwuchs ausarten. Deshalb braucht es ein attraktives Zukunftsbild für die Orientierung. Doch sogar diese Visionsarbeit lässt sich mit einem Plattformansatz gestalten. Ich bin selbst immer wieder erstaunt, was man hier mit Co-Kreation bewirken kann.

Und jetzt?

Wenn Ihnen jetzt als Führungskraft schon die Angstperlen auf der Stirn stehen, weil Sie sich vom neuen Change als Plattformansatz quasi in ihrem bestehenden „Leadership Geschäftsmodell“ bedroht fühlen, kann ich Sie beruhigen. Es bleibt noch sehr viel zu tun in der Rolle des Ermöglichers! Mit Offenheit für den neuen Zugang und der Bereitschaft, die eigene Arbeitsweise zu verändern, können Sie mit wesentlich weniger Energie viel mehr erreichen. Das gilt auch für die bisherigen Change Management Abteilungen, die zu Plattformbetreibern werden.

Sehen Sie sich zwei passende Angebote zum Thema an:

Move to Perform

Organization Design meets Agility

Eva Ayberk